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Wenn Oma in Geheimsprache redet
Jörn Dirk Zweibrock 21.01.2016

Die Theatergruppe Holtum-Marsch spielt immer wieder gerne Stücke aus dem Verdener Theaterverlag Karl Mahnke, der sich auf niederdeutsche Bühnenstücke spezialisiert hat.

Wenn Oma Geheimsprache redet
Schnuppern Theaterluft: Lektorin Alexandra Schlenker (r.) überreicht Regisseur Johann von Salzen die gewünschten Manuskripte, während die Schauspieler der Theatergruppe Holtum-Marsch auf der Bühne in ihrem Element sind. (Björn Hake)


Die vergangene Theatersaison in Holtum-Marsch war so erfolgreich, dass die Schauspieler sogar noch eine Zusatzvorstellung dran hängen mussten. Das Stück, was die Zuschauer im wahrsten Sinne des Wortes vom Hocker gerissen hat, trägt den Namen „To’n Glück verrückt“.

Die Holtumer lassen sich gern mit Komödien, Schwänken und Schauspielen aus dem Verdener Theaterverlag Karl Mahnke beliefern. Dem Theaterverlag für niederdeutsche Bühnenstücke schlechthin, wie Verlagsleiterin und Lektorin Alexandra Schlenker stolz erzählt.

Selbst der Ohnsorg-Klassiker „Tratsch im Treppenhaus“ ist bei Mahnke in Verden erschienen. Und der Karl-Mahnke-Pries wird alle drei Jahre im Bieberhaus am Hamburger Hauptbahnhof, der neuen Spielstätte des Ohnsorg-Theaters, verliehen.

Johann von Salzen führt schon seit 15 Jahren Regie bei der Theatergruppe Holtum-Marsch. Im Januar, nach der Jahreshauptversammlung des gemischten Chores Polyhymnia, dem die Gruppe angehört, beginnt er mit der Auswahl des neuen Stückes. „Bei uns steht nicht jeder jedes Jahr auf der Bühne. Wenn ich weiß, wer Lust hat zu spielen, also die genaue Zahl der Darsteller im Kopf habe, schaue ich mir die Kurzfassungen der plattdeutschen Stücke im Internet an“, berichtet er über seine Vorgehensweise.

Gar nicht so leicht, denn schließlich sind im Verdener Theaterverlag rund 1400 Stücke erschienen. Von bekannten niederdeutschen Autoren wie beispielsweise Konrad Hansen und Jens Exler oder etwa dem gerade sehr oft gespielten Helmut Schmidt.

Immer mehr niederdeutsche Stücke von Frauen

„Früher haben fast nur Männer geschrieben, doch mittlerweile stammen viele unserer Stücke aus der Feder von Frauen“, freut sich Alexandra Schlenker, dass Autorinnen nach und nach die niederdeutschen Bühnen erobern. So ist der Karl-Mahnke-Theaterpries 2015 an Ulrike Stern, Dramaturgin an der Fritz Reuter-Bühne Schwerin, gegangen.

Von der dänischen Grenze bis ins westfälische Münster, von Niedersachsen bis nach Mecklenburg-Vorpommern werden die plattdeutschen Komödien, Schwänke und Schauspiele aus dem Hause Mahnke aufgeführt. „Rund 4500 plattdeutsche Theatergruppen gibt es im norddeutschen Raum. Und dabei hat das Jahr doch bloß 52 Wochenenden“, bedauert Alexandra Schlenker, dass sie nun beim besten Willen nicht jeder Premiere beiwohnen kann.

Johann von Salzen kommt jedenfalls oft persönlich an der Großen Straße 108 in Verden vorbei, holt dort die Manuskripte ab, die für ihn in die engere Auswahl kommen. Sollte das gewünschte Ansichtsexemplar einmal nicht vorrätig sein, wird es eben nachgedruckt. Beim Lesen merkt Johann von Salzen sofort, ob der Funke überspringt.

„Nicht jeder kann alles spielen“, berichtet der Regisseur, dass er bei der Besetzung beispielsweise darauf achten muss, ob Alter und Charakter des Schauspielers auch mit dem der Rolle übereinstimmen. „Kürzen ist ausdrücklich erwünscht“, rät die Lektorin dem Regisseur, ruhig die ein oder andere Passage aus dem Text heraus zu streichen. Warum? Weil die Bücher nun mal erfahrungsgemäß sehr umfangreich sind.

Im Juli beginnt die Theatergruppe Holtum-Marsch mit den Proben für die aktuelle Spielzeit. Zwei Proben pro Woche setzt Johann von Salzen meist an. Der Vorhang in Klinkers Diele hebt sich im November, die letzte Vorstellung der Saison geht dort traditionell rund um den ersten Advent über die Bühne.

Verlagsgründung vor über 150 Jahren

„Einmal saß ein spanischer Austauschschüler bei uns in der Vorstellung. Selbst der hat gelacht“, erinnert sich Marlis Wedemeyer von der Theatergruppe Holtum-Marsch. Und das Enkelkind eines Ensemblemitglieds soll seinen Freunden davon berichtet haben, dass Oma und Opa immer „in Geheimsprache reden“, wenn sie in Klinkers Hof Theaterluft schnuppern.

Vor mehr als 150 Jahren, 1910, wurde der Verdener Theaterverlag Karl Mahnke gegründet. Er zählt heute insgesamt fünf Mitarbeiter. Geleitet wird er von der gebürtigen Verdenerin Alexandra Schlenker. Seit Maria Mahnke die gleichnamige Buchhandlung mit dem angeschlossenen Theaterverlag übernommen hat, hat sich dort ein Generationenwechsel vollzogen.

„Der Ohnsorg-Klassiker ,Tratsch im Treppenhaus’ ist immer noch ein Selbstläufer“, freut sich Verlagsleiterin und Lektorin Alexandra Schlenker, dass Heidi Kabels nicht weniger berühmte Tochter Heidi Mahler damit gerade Triumphe auf den Theaterbühnen im Norden feiert.

Übrigens: „Jümmer Arger mit Wotan“, erschienen bei Mahnke in Verden, feiert am Sonntag, 21. Februar, Premiere. Wo? Natürlich im Ohnsorg-Theater am Hamburger Heidi-Kabel-Platz, vor dessen Eingang die unvergessene Volksschauspielerin als Bronzestatue wacht. Angelehnt an ihre Paraderolle Meta Bold aus „Tratsch im Treppenhaus“.

Zum Artikel: http://www.weser-kurier.de/region/achimer-kurier_artikel,-Wenn-Oma-in-Geheimsprache-redet-_arid,1295940.html